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Produce-Alike #7 – Adele

Die englische Sängerin Adele ist endgültig ganz oben angekommen. Ihr zweites Album „21“ will den Platz an der Spitze der Charts weltweit einfach nicht mehr räumen und wurde bereits vielfach mit Platin ausgezeichnet. Dieser sensationelle Erfolg ist natürlich in erster Linie ihrer famosen Stimme und gutem Songwriting geschuldet. Aber auch der geradlinige, unprätentiöse Produktionsstil leistet einen Beitrag dazu, dass die Musik so erfrischend echt und ehrlich wirkt. In Zeiten von technisch aufgeblasenen Produktionen, die mit allerlei Effekthascherei um Aufmerksamkeit buhlen, scheint das Publikum dankbar zu sein für die Einfachheit und Klarheit, mit der die Songs auf „21“ in Szene gesetzt sind.„Set Fire To The Rain“ ist dabei noch einer der am aufwändigsten produzierten Songs auf dem Album. Immerhin kommen hier opulente Streicher zum Einsatz. Davon mal abgesehen verzichtet die Produktion aber auf jeglichen Schnickschnack. Durch das Weglassen aller heutzutage üblichen Gimmicks und Spielereien steht bei Adele also der nackte Song im Vordergrund.

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Deshalb wird diese Folge dieses Workshops auch etwas anders aussehen als üblich. Statt der Herstellung von bestimmten Drumsounds, Synths und Grooves wird diesmal die Entstehung des Gesamtklangs die Hauptrolle spielen. Dass wir den authentischen Sound von Adeles Band mit synthetischen Mitteln nur annäherungsweise reproduzieren können, ist natürlich klar. Trotzdem wollen wir uns mal ansehen, wie der Song aufgebaut ist, und wie wir mit einfachen Mitteln einen akzeptablen Gesamtsound hinbekommen.

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GROOVE

„Set Fire To The Rain“ ist sehr konservativ instrumentiert: Eine klassische Pop-Band-Besetzung aus Schlagzeug, Bass, Gitarre und Klavier sorgt für das Grundgerüst. Außerdem kommen noch Streicher und ein bisschen „Füllmaterial“ aus Pads und einer Orgel zum Einsatz – das war es dann aber im Großen und Ganzen auch schon. Zunächst sollten wir uns also das Werkzeug zurechtlegen und uns die Sounds mal im Einzelnen ansehen.
Drums
Für das Schlagzeug habe ich mich für die Library „Abbey Road 60s Drums“ von Native Instruments entschieden. Sie kommt mit ihrem Retro-Sound schon relativ nah an das heran, was wir suchen. Außerdem bietet sie für alle Teile des Drumsets viele verschiedene Spielweisen – sogar linke und rechte Hand werden unterschieden und lassen sich genauso einsetzen, wie ein richtiger Drummer sie nutzen würde. Das Kontakt-Instrument lässt allzu detaillierte Eingriffsmöglichkeiten vermissen, was für den „puren“ Sound, den wir suchen, jedoch genau das Richtige ist. Die Snare in Adeles Hit ist ziemlich tief gestimmt und „bauchig“. Also habe ich auch in der Library die Snaredrum noch etwas herunter gestimmt und das Verhältnis von Top- und Bottom-Mikrofon etwas in Richtung „Top“ verschoben. Ansonsten habe ich im Plugin selbst keine weiteren Klangbearbeitungen vorgenommen. Die Sounds liegen alle auf Einzelausgängen und werden dann im Mixer des Sequenzers weiter verarbeitet.

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In der ersten Strophe ersetzt zunächst ein Floor-Tom die Snaredrum. Im Refrain wechselt der Drummer dann auf das Ride-Becken und die Snare. Hören wir uns die beiden Grooves zunächst einmal in unbearbeitetem Zustand an:

Audio Samples
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Drums Dry

Das hört sich – auch wegen des gewünschten starken Raumanteils – jetzt noch ziemlich matschig an. Deshalb habe ich Gates eingesetzt, um die Übersprechungen der Mikrofone und insbesondere den langen Ausklang des Toms etwas in den Griff zu bekommen. Außerdem habe ich mit EQs die wesentlichen Elemente der einzelnen Sounds betont, und sie in den Frequenzbereichen, in denen sie eher stören oder sich in die Quere kommen, etwas abgesenkt. Ein kleiner Raum, der fast nicht zu hören ist, hilft dabei, die Einzelteile etwas zusammenzukleben.

In Verbindung mit einer leichten Buskompression des gesamten Drumkits klingt das dann schon viel aufgeräumter:

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Drums Wet

Zum Schluss habe ich noch eine beliebte Methode angewendet, um dem Schlagzeug noch etwas mehr Biss zu geben. Die Stereo-Raummikrofone des Kontakt-Instruments werden mit einem Pre-Fader-Send zusätzlich auf einen Bus geschickt. Dort werden sie mit einem Direction Mixer zu einem Mono-Signal gemacht und anschließend rabiat komprimiert. Becken und Räume dürfen ruhig etwas „pumpen“. Damit es keinen Matsch gibt, durchläuft das Signal noch einen EQ und wird dann dem restlichen Drum-Mix leise (!) wieder zugeführt. Im Soundbeispiel hört ihr zunächst das bearbeitete Raumsignal, und dann den Drum-Mix, dem es nach vier Takten beigemischt wird.

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Dirt Room
Audio Samples
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Dirt Room
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BASS

Auch für den Bass habe ich auf ein Kontakt-Instrument zurück gegriffen. Der „Scarbee MM-Bass“ ist Bestandteil von Native Instruments Komplete 7. Das Instrument zeichnet sich durch ein Skript aus, das unter anderem berücksichtigt, mit welchem Finger und in welcher Lage eine Saite gespielt wird. Außerdem kann es Hammer-On- und Pull-Off-Spielweisen sowie Slides recht authentisch nachbilden.

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In den Strophen spielt der Bass vor allem lange Noten, die durch vereinzelte Slides verbunden werden. Im Refrain kommt dann ein klassischer Achtel-Bass zum Einsatz, wobei das Finger-Skript des Instruments seine Stärken ausspielen kann. Hören wir den Bass zunächst einmal unbearbeitet, direkt aus Kontakt:

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Bass Dry

Für „Set Fire To The Rain“ ist dieser Sound etwas zu „drahtig“. Deshalb machen wir ihn mit einem EQ etwas dumpfer. Außerdem betonen wir die Frequenzen um 300 Hz leicht, damit der Bass auf kleineren Boxen nicht so schnell seine Wirkung verliert. Dabei muss man allerdings gut aufpassen und dafür sorgen, dass sich die anderen Instrumente in diesem chronisch problematischen Frequenzbereich eher zurückhalten – sonst bekommt man einen matschigen, dröhnenden Mix. Mit einem psychoakustischen Plugin, das künstliche Obertöne erzeugt, können wir ebenfalls noch etwas Druck hinzufügen und die Kompatibilität des Sounds mit kleineren Boxen erhöhen.

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Und das ist der bearbeitete Bass:

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Bass Wet
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KEYS/STRINGS

Piano
Das Klavier spielt in „Set Fire To The Rain“ ein Begleitpattern aus gebrochenen Akkorden im besten Mozart-Stil. Und wo wir schon bei Native Instruments Komplete waren, bleiben wir auch dort: Zum Einsatz kommt das enthaltene Kontakt-Instrument „Berlin Concert Grand“. Den internen Hall machen wir aus und benutzen stattdessen lieber einen anderen, den wir dann auch gleich noch für andere Instrumente einsetzen können. Zwar bringen viele Instrumente heutzutage durchaus hochwertige Hall-Prozessoren mit, doch wenn man diese benutzt, kann man den Hall nicht mehr einsetzen, um eine vernünftige Bindung und Staffelung der Instrumente im Raum zu erzielen. Wenn jedes Signal seinen eigenen, individuellen Hall bekommt, zerfällt der Mix meistens schnell. Ein großer und ein kleiner Raum, als Send-Effekte für mehrere Spuren eingesetzt, reichen meist aus und führen zu besseren Ergebnissen, als wenn man mit den eingebauten Effekten möglichst fette Einzelsounds macht – vor allem in einer puristischen Produktion wie dieser.
Beim Hören des Intros fällt auf, dass das Piano sehr drahtig klingt und außerdem recht stark komprimiert ist. Aus dem unteren Frequenzbereich hält es sich dagegen weitgehend heraus, denn dort dürfen sich der Bass, die Kickdrum und der „Bauch“ der Snare breit machen. Mit einem EQ machen wir das Klavier also ziemlich spitz.

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Piano

Orgel
Die Keyboards werden von einer simplen Orgel vervollständigt, die wir aus der guten alten Native Instruments B4 bekommen. Da die Orgel als Füllmaterial eingesetzt wird und kaum zu hören ist, lassen wir die Kirche im Dorf und halten uns nicht lange mit dem Finden des perfekten Sounds auf. Er sollte nur nicht allzu aggressiv sein. Mit der Automation (oder am besten per Fußschalter beim Einspielen) wird der Leslie-Effekt fortwährend zwischen langsam und schnell umgeschaltet, um dem Sound Leben einzuhauchen.

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Orgel
Audio Samples
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Orgel

Pad
Darüber hinaus kommt noch ein Flächensound zum Einsatz, der ab dem ersten Refrain das harmonische Fundament verstärkt. Wie bei allen Flächen gilt: Der vermeintlich unspektakulärere Sound ist fast immer der Bessere. Ich verwende einen simplen Synth-String-Sound aus dem Native Instruments Pro-53, der noch einen leichten Chorus-Effekt spendiert bekommt.

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Pad
Audio Samples
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Pad

Strings
Viel wichtiger sind da die Streicher, die dem Song seinen opulenten, balladesken Charakter geben. Ich habe hierfür die Orchestral Strings aus der Vienna Symphonic Library Special Edition verwendet. Die String Section besteht ganz klassisch aus ersten und zweiten Geigen, Violen und Celli. In den späteren Refrains werden die Strings auch divisi eingesetzt – also zum Beispiel die zweiten Geigen auf zwei Noten aufgeteilt. Dadurch lassen sich noch dichtere Akkorde kreieren. Wenn man einen möglichst realistischen Klang anpeilt, sollte man jedoch bei der Verwendung von Sample-Libraries darauf achten, dass sich die veränderte Anzahl der Spieler pro Stimme in Divisi-Parts zumindest ungefähr auch in den verwendeten Samples wiederspiegelt. Beispiel: Die Violinenklänge der VSL-Orchestral Strings wurden von 14 Geigern eingespielt. Wenn man eine einzelne Note spielt, erklingen also 14 Spieler. Spielt man jedoch zwei Noten gleichzeitig, so hat man plötzlich 28 Geiger. Das klingt unnatürlich und verrät oftmals die Verwendung von Samples. Deshalb lohnt sich die Mühe, für Divisi-Stellen auf andere Samples mit weniger Instrumentalisten zu wechseln – in diesem Fall auf die Chamber Violins, bei denen sechs Geiger spielen. Mittlerweile gibt es Sample-Libraries, die dies auch automatisch beherrschen, wie zum Beispiel die VSL (bei Verwendung des erweiterten Players Vienna Instruments Pro), oder auch die LA Scoring Strings von Audiobro.

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Die Dynamik der Streicher habe ich mit der Velocity-Crossfade-Funktion des Vienna-Instrument-Players automatisiert. Hören wir uns zunächst einen Abschnitt ohne weitere Klangbearbeitung an:

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SFTTR Strings Dry

Die einzelnen Elemente werden auf einen Bus geroutet und von nun an gemeinsam weiter bearbeitet. Mit einem EQ habe ich die tiefen Mitten und die schrillen Blechdosen-Frequenzen um 1,5 kHz etwas abgesenkt. Dafür bekommen die Strings bei etwa 10 kHz eine leichte Auffrischung. Ein Exciter sorgt zusätzlich noch für etwas „Schimmern“.

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Audio Samples
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Strings Wet

So klingt das doch schon ganz nett. Im Mix tritt jedoch eine Problematik auf, derer wir uns noch annehmen müssen: Die Streicher, das Pad und das recht spitze Klavier belegen alle ein breites Frequenzband und überlagern sich im Spektrum so stark, dass das Ergebnis zu Brei wird. Da ist kein Platz mehr für die restlichen Instrumente, geschweige denn Gesang. Es gibt verschiedene Methoden, dieses Problem in den Griff zu bekommen. Je nach Situation und Ausgangsmaterial zählen dazu zum Beispiel Panning, Sidechain-Kompression, und die Verwendung von EQs, um gezielt Platz zu schaffen. Auch lernfähige EQs wie beispielsweise Logics Match EQ lassen sich hervorragend zu diesem Zweck einsetzen.In diesem Fall habe ich einfach gewöhnliche EQs verwendet. Für jedes Instrument wird ein „Sweet Spot“ ermittelt – also der Frequenzbereich, in dem seine Schokoladenseite besonders gut zur Geltung kommt  – und mit dem EQ leicht angehoben. Die anderen beiden Instrumente werden im Gegenzug jeweils in diesem Bereich etwas abgesenkt. Dabei sollte man unbedingt nach Gehör vorgehen, und sich nicht auf Presets oder Standardwerte verlassen (Presets für EQs sind sowieso Teufelswerk und funktionieren höchstens zufällig). Wir betonen die Streicher bei etwa 4 kHz, das Piano bei etwa 500 Hz und das Pad bei ca. 2 kHz. Ein einfaches Mittel mit einer großen Wirkung: Schon subtile Eingriffe können zum gewünschten Ergebnis führen. Im Klangbeispiel hört ihr Piano, Strings und Pad zunächst matschig und unbearbeitet. In der zweiten Hälfte werden dann die EQs hinzu geschaltet. Obwohl sie sehr zurückhaltend zu Werke gehen, wird das Klangbild doch deutlich klarer und aufgeräumter.

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Strings Piano
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Strings Piano

Gitarre
Das Instrumentarium wird von einer Gitarre mit Tremolo-Effekt ergänzt, die jedoch weit entfernt davon ist, die Hauptrolle zu spielen. Sie darf in den Refrains mit ein paar Powerchords für etwas subtilen Drive sorgen. In der Bridge spielt sie tiefe Noten und ergänzt damit den Bass. Ich habe ein einfaches Stratocaster-Sample genommen und es durch Native Instruments Guitar Rig geschickt. Eine echte Gitarre kann das natürlich niemals ersetzen, aber zu Workshop-Zwecken soll es diesmal reichen.

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Gitarre
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SONG

Jetzt haben wir die Bausteine beisammen und können uns daran machen, den Song zusammenzusetzen. Auch was die Songstruktur angeht, folgt „Set Fire To The Rain“ dem bewährten Schema. Selbst der charakteristische Drum-Groove mit der Snare auf der „2-und“ geht im Prinzip ohne Pause durch. Er wird vom Drummer in den verschiedenen Teilen zwar etwas anders interpretiert, bleibt jedoch stets im Kern erhalten. Das hält den Song zusammen und lässt die einzelnen Teile wie eine Einheit wirken. Auf sparsam instrumentierte Strophen folgen mächtige Refrains, in denen die Streicher von Beginn an für Dramatik sorgen. In den letzten Refrains legen die Strings dann noch eine Schippe drauf und beginnen mit einer getragenen, oktavierten Melodie, die zusätzliche Emotionen freisetzt. Unterbrochen wird der Ablauf von einem kurzen „Mid-8“-Teil, der auch genau an der Stelle kommt, an der man ihn erwartet. Hier wird das Akkordfundament zur Abwechslung von der Fläche und der Orgel übernommen, die ansonsten ja eher im Hintergrund tätig sind. Das Piano hat Pause, und die Streicher wechseln zunächst zu gezupften (“pizzicato”) Akkorden. Nach dieser kurzen Einlage springt der Song aber sofort wieder in den Refrain zurück, der zum Schluss mit steigender Intensität einige Male wiederholt wird.
Auch beim Ablauf verzichtet Adele also auf Überraschungen und lässt den Song für sich selbst sprechen. Damit ist der Beweis erbracht, dass ein guter Song auch heute noch funktioniert, ohne dass man ihn mit allerhand Spielereien und Tricks schmücken müsste. Bei „Set Fire To The Rain“ ist das Prinzip verwirklicht, das sich die Band Coldplay einmal auf die Fahnen schrieb: Ein Song muss auch noch wirken, wenn man ihn nur auf der Gitarre oder auf dem Klavier spielt – sonst ist er nicht gut genug.
Machen wir uns also an die Endmontage:

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Song komplett

Und damit ist dann auch schon wieder das Ende dieser Folge erreicht! Ich hoffe, Euch beim nächsten Mal wieder begrüßen zu dürfen, wenn wir dem nächsten Hit auf den Zahn fühlen!

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OSZAR »