Ein Konzertbesuch ist nicht nur ein Fest für die Ohren – er kann auch messbare Auswirkungen auf unsere Gesundheit haben. Das zeigt ein aufsehenerregendes Experiment, das im Rahmen der Dresdner Musikfestspiele durchgeführt wurde. Bei einem Abend der Veranstaltungsreihe „Sound & Science“ gelang es einem Forscherteam um Professor Clemens Kirschbaum von der TU Dresden nachzuweisen, dass das gemeinsame Erleben und Musizieren von Live-Musik den Spiegel des sogenannten „Kuschelhormons“ Oxytocin massiv erhöht – teilweise sogar stärker als Küssen und Sex.

Der wahre Kick kommt vom Konzert, nicht vom Bett
Oxytocin ist ein Neurohormon, das bei intensiven sozialen Kontakten wie Umarmungen oder Küssen freigesetzt wird. Auch beim Sex oder beim Streicheln steigt der Hormonspiegel deutlich an. Aber auch Vertrauen, einfühlsame Gespräche oder intensiver Blickkontakt mit vertrauten Menschen fördern ebenfalls die Oxytocin-Ausschüttung. Es stärkt das Immunsystem, wirkt stress- und angstlindernd und kann sogar Schmerzen reduzieren. Doch offenbar ist auch Musik ein potenter Auslöser – und zwar ein besonders effektiver.
Bei einem Live-Konzert des ostbelgischen Streichensembles Eastbelgica im Zentrum für Regenerative Therapien Dresden wurde bei freiwilligen Konzertbesuchern zunächst ein durchschnittlicher Oxytocinwert von 37,54 Pikogramm pro Milliliter (pg/ml) gemessen. Nach dem Konzert lag dieser Wert bei beeindruckenden 203,17 pg/ml – eine Vervielfachung des Ausgangswerts.
Auch bei den beteiligten Musikerinnen und Musikern zeigten die Daten klare Effekte. Während gegenseitige Umarmungen im Vorfeld kaum eine hormonelle Reaktion hervorriefen, stieg der Oxytocinwert nach dem gemeinsamen Musizieren durchschnittlich um 88,49 pg/ml an. Zum Vergleich: Eine 20-sekündige Umarmung mit dem Partner steigert den Wert lediglich um 3 bis 5 pg/ml, enger Körperkontakt um bis zu 150 pg/ml.
„Das gemeinsame Musizieren wirkt biologisch tiefer als eine bloße Umarmung“, erklärte Studienleiter Kirschbaum. „Es verbindet Menschen auf einer fundamentalen, körperlich spürbaren Ebene.“
Musik schafft Verbindung
Neben den physiologischen Messungen wurden auch die subjektiven Erfahrungen der Zuhörerinnen und Zuhörer erfasst. Viele berichteten von einem intensiven Gefühl der Verbundenheit – sowohl mit den Musiker:innen auf der Bühne als auch mit dem Publikum um sie herum. Besonders ausgeprägt war dieses Empfinden bei jenen, die die dargebotene Musik als emotional, ausdrucksstark oder ästhetisch bewegend beschrieben.
Für den Intendanten der Dresdner Musikfestspiele, Jan Vogler, ist das Ergebnis ein eindrucksvoller Beweis für die Kraft der Musik: „Manche Werte lagen höher als bei innigen Küssen oder gar nach dem Sex – Musik kann also mehr bewirken als Intimität. Sie schafft Nähe, ohne Berührung. Sie verbindet – messbar im Körper, spürbar im Herzen.“

Was Musikfans schon lange fühlen, konnte nun auch wissenschaftlich belegt werden: Musik ist weit mehr als Unterhaltung. Sie ist ein biochemischer Verbinder, ein soziales Bindemittel, ein therapeutisches Werkzeug. In Zeiten, in denen zwischenmenschliche Nähe seltener wird, könnte Musik so auch eine neue Rolle im Bereich der Gesundheitsförderung und Stressprävention spielen.
Die Ergebnisse könnten künftig sogar in Musiktherapie, Pflege oder psychosozialen Programmen genutzt werden. Denn wenn Musik solche biologischen Effekte hervorruft, ist sie vielleicht eines der kraftvollsten Mittel, um Menschen wirklich miteinander zu verbinden.